Sklaverei in der Antike: Griechische Stadt-Staaten am Pontus Euxinus
Im heutigen Geschichtsmagazin ist Steliu Lambru der Frage nachgegangen, wie die Sklaverei an der westlichen Küste des Schwarzen Meers in der Antike organisiert war.
Steliu Lambru, 23.10.2023, 18:21
Sklaverei ist in der heutigen Welt nicht mehr hinnehmbar. Sie gilt als eine der schlimmsten Formen der Verletzung der Menschenwürde und ist ein Verbrechen, das sowohl völkerrechtlich als auch nach nationalem Recht strafbar ist. In der Vergangenheit war die Sklaverei jedoch nicht immer mit einem unwürdigen Status verbunden, weil das Menschenbild damals ein anderes war als heute. Sicherlich kann ein Mensch ohne Freiheit nicht als glücklich bezeichnet werden, doch der Sklave wurde in der Vergangenheit nicht immer als unglücklicher, ausgebeuteter Mensch wahrgenommen, der nach dem Gutdünken seines Besitzers lebte.
Sklaverei ist in allen historischen Epochen und in allen von Menschen bewohnten Erdteilen bezeugt, und im heutigen rumänischen Raum gibt es Anhaltspunkte für ihre Präsenz. Die Ufer des Pontus Euxinus, wie man das Schwarze Meer in der Antike bezeichnete, wurden erstmals von den Griechen im 8. bis 6. Jahrhundert v. Chr. besiedelt. Dabei kamen sie mit anderen Völkern in Kontakt, die sie als Barbaren“ bezeichneten und mit denen sie wirtschaftliche Beziehungen eingingen und mal friedlich zusammenlebten, mal in kriegerische Auseinandersetzungen gerieten. Eine dieser Bevölkerungsgruppen waren die Geten, möglicherweise ein Stamm der Daker, die als Vorfahren der Rumänen gelten und am Westufer des Schwarzen Meeres lebten. Zum Wirtschaftsgeflecht zwischen den Griechen und den Eingeborenen gehörte auch die Sklaverei, d. h. die Arbeit in der Landwirtschaft, im Bergbau, im Handwerk, im Bauwesen und bei öffentlichen Arbeiten in den Städten.
Archäologen haben sowohl nach materiellen als auch nach schriftlichen Beweisen gesucht, um ihre Hypothesen über die Existenz von Sklaverei am Pontnus Euxinus zu untermauern. Einer von ihnen ist Dragoș Hălmagi, Forscher am Vasile-Pârvan-Institut für Archäologie der Rumänischen Akademie, der sich auf beide Arten von Quellen konzentriert hat. Hălmagi ist der Ansicht, dass der Begriff abhängige Bevölkerung“ besser geeignet als Sklaverei“ ist, um die sozialökonomischen Beziehungen der Griechen zur einheimischen Bevölkerung zu beschreiben.
In ihren Stadt-Staaten am Schwarzen Meer arbeiteten die Griechen nicht mit Sklaven, obwohl der Sklavenhandel am Pontus Euxinus, in Thrakien und sogar Skythien sowohl aus literarischen als auch epigraphischen Quellen (also antiken Inschriften) bekannt ist. Da es keine direkten Quellen gibt, die Sklavenarbeit am Pontus Euxinus belegen, wurde die Arbeit hier von abhängigen Bevölkerungsgruppen geleistet. Die Frage der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, einem sehr wichtigen Wirtschaftszweig der Antike, wird in einigen Quellen erörtert, weniger jedoch die der Haussklaven oder der Sklaven mit anderen Berufen. Ein Gedanke, der von griechischen Autoren wie Platon und Aristoteles geäußert wird, besagt, dass es im Allgemeinen vorteilhaft war, Sklaven mit verschiedenen Muttersprachen einzusetzen, um die Gefahr einer Rebellion zu vermeiden. Da die Griechen von den Geten im Westen umgeben waren, konnten sie keine Sklaven aus deren Reihen nehmen. Die Gefahr eines Aufstandes oder einer kriegerischen Auseinandersetzung wäre zu groß gewesen, weshalb sie es vorzogen, auf diese Weise mit ihnen zu arbeiten. Viele Inschriften berichten von Griechen, die mit Barbaren zusammenlebten.“
Archäologische Ausgrabungen an antiken Stätten würden nahelegen, dass die Sklaverei nicht unbedingt eine Tragödie im Leben der damaligen Menschen war, führt der Archäologe Dragoș Hălmagi weiter aus.
Wenn wir uns die Ausgrabungen an Orten anschauen, von denen wir wissen, dass es Sklaven dort gab, dann ist ihre archäologische Präsenz sehr ähnlich wie die der freien Menschen. Sie hatten zwar etwas ärmere Gräber mit weniger Gaben wie Gefäßen und Metallgegenständen. Doch es gibt nichts Typisches in diesem Gräbern, was uns dazu verleiten würde zu sagen, dass es Sklavengräber sind. Archäologisch gesehen gibt es nichts, was einen Sklaven von einem freien Mann unterscheiden würde. Oft übernahmen die Sklaven die Traditionen des Ortes, und das zeigt sich an den Haussklaven, deren Kleidung und Gräber ähnlich jener der Familien aussahen, denen sie gehörten.“
Die abhängige Bevölkerung hatte allerdings den gleichen Status wie die Sklaven. Aus ihrer Mitte wurden Arbeitskräfte rekrutiert, deren sozialer Status unsicher war. Nur wenige schriftliche Quellen erwähnen den Einsatz von Sklaven in der Landwirtschaft, doch Ausgrabungen haben ergeben, dass der Einsatz von Sklaven im Handwerk und im Bauwesen sehr wahrscheinlich war, insbesondere dort, wo Festungen, Siedlungen oder befestigte Anwesen entdeckt wurden. Die griechischen Quellen beziehen sich jedoch nicht nur auf die Geten, sondern sprechen von einer Vielzahl von Völkern. Neben den Geten tauchen in hellenistischen Texten aus dem 4. bis 1. Jahrhundert v. Chr. auch Skythen, Sarmaten, Thraker und andere Völkerschaften auf. Sie bildeten ein wahres ethnisches Mosaik, in dem die politische Herrschaft abwechselnd durch die militärische Macht eines einzelnen Anführers ausgeübt wurde. Dem Archäologen Dragoș Hălmagi zufolge sei eine zuverlässige Quelle für die These des ethnischen Mosaiks der römische Dichter Ovid, der bekannterweise seinen letzten Lebensabschnitt im Exil am Pontus Euxinus verbrachte und die örtlichen Gepflogenheiten in seinen Schriften thematisierte.
Der erste antike Autor, der sagt, dass hier mit Sicherheit Geten lebten, ist Ovid. Er sagt sogar mehr als das. Er erwähnt nicht nur die Geten, sondern auch ‚zahllose andere Bevölkerungen hier‘. Manchmal schreibt er das vielleicht, um seine Leser in der Ferne zu beeindrucken, an anderen Stellen spricht er möglicherweise über reale Dinge — das ist heute schwer zu sagen. Es gibt einige Passagen in Ovids Schriften, in denen er die Geten und die iranischstämmigen Sarmaten gemeinsam erwähnt. Ovid bezeichnet die Geten und die Sarmaten als Bogenschützen-Völker und behauptet auch, ihre Sprachen zu beherrschen. Auf jeden Fall schrieb er, dass die Geten und die Sarmaten am Schwarzen Meer stets gemeinsam auftreten. Schon bei der ersten Erwähnung der Geten tauchen sie in solchen Zusammenhängen auf.“