Ion Iliescu ist tot – Rumänien verabschiedet sich vom ersten Präsidenten der Nachwendezeit
Rumänien nimmt Abschied von Ion Iliescu – dem ersten Präsidenten des demokratischen Rumäniens nach dem Umbruch von 1989. Der ehemalige Staatschef ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Ein Rückblick auf das Leben und das umstrittene Erbe einer der prägendsten politischen Figuren der jüngeren rumänischen Geschichte.
Corina Cristea und Alex Sterescu, 06.08.2025, 15:00
Die Nachricht vom Tod des ersten Präsidenten des demokratischen Rumäniens, Ion Iliescu, kam für kaum jemanden überraschend. Der frühere Staatschef war 95 Jahre alt und lag seit zwei Monaten in einem Krankenhaus in Bukarest. Dort war bei ihm Lungenkrebs diagnostiziert worden.
Ion Iliescu war eine umstrittene politische Figur und führte das Land insgesamt elf Jahre lang. Er spielte eine entscheidende Rolle bei der Ausrichtung Rumäniens auf die Europäische Union und die NATO – ihm gelang es, alle politischen Parteien von der Notwendigkeit eines Beitritts zu beiden Organisationen zu überzeugen.
Doch Ion Iliescu, einst ein prominentes Mitglied der Kommunistischen Partei, später in Ungnade bei Diktator Nicolae Ceaușescu gefallen, steht gleichzeitig in der Kritik – unter anderem von Historikern. Ihnen zufolge habe Iliescu gemeinsam mit der von ihm unmittelbar nach dem Sturz Ceaușescus gegründeten Nationalen Rettungsfront ein Klima des Chaos geschaffen, das es ihnen ermöglichte, die Macht an sich zu reißen. Dieses Chaos forderte auch Menschenleben auf den Straßen: Obwohl Ceaușescu bereits in Gewahrsam der Armee war, wurden bis zu seiner Hinrichtung über 800 Menschen erschossen.
Ion Iliescu wird zudem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt – im Zusammenhang mit der gewaltsamen Niederschlagung friedlicher Studentenproteste in den 1990er-Jahren. Die berüchtigten ‚Bergarbeiter-Aufmärsche‘ forderten Todesopfer und hinterließen Hunderte Verletzte. Sie bremsten Rumäniens Übergang zur Marktwirtschaft erheblich und hielten dringend benötigte ausländische Investitionen jahrelang fern.
Jenseits von Licht und Schatten haben nach seinem Tod zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Rumänien Beileidsbekundungen übermittelt. Der interimistische PSD-Vorsitzende Sorin Grindeanu bezeichnete Ion Iliescu als eine bedeutende Figur der jüngeren Geschichte – als ersten Präsidenten des demokratischen Rumäniens habe er in entscheidenden Momenten wie dem NATO- und EU-Beitritt eine zentrale Rolle gespielt. Auch die PNL würdigte Iliescu als wichtige Persönlichkeit der postrevolutionären Politik und ersten demokratisch gewählten Staatschef nach 1989, dessen Wirken prägende Phasen der jüngeren Landesgeschichte beeinflusst habe. USR-Vorsitzender Dominic Fritz betonte ebenfalls Iliescus Beitrag zur strategischen Westausrichtung Rumäniens, erinnerte jedoch zugleich daran – Zitat – ‚dass wir das Leid derjenigen nicht vergessen dürfen, die während der Revolution und der Bergarbeiter-Aufmärsche mit ihrem Blut für Freiheit und Demokratie bezahlt haben.‘
Die Geschichte wird Ion Iliescu beurteilen – die zentrale Figur des rumänischen Übergangs der 1990er-Jahre. Unsere Aufgabe ist es, die großen ungelösten Fälle jener Zeit aufzuklären, um mit Verantwortung in die Zukunft zu gehen – so der Präsident Nicuşor Dan in einer Botschaft, die auf der Facebook-Seite der Präsidialverwaltung veröffentlicht wurde. Auch Premierminister Ilie Bolojan erklärte, der Tod von Ion Iliescu markiere das Ende einer wichtigen Etappe der jüngeren Landesgeschichte, geprägt vom postkommunistischen Übergang und grundlegenden Veränderungen im öffentlichen Leben. Ion Iliescu trete nun in die Geschichte ein – und in deren sorgfältige Analyse, so der Premierminister abschließend. Beileidsbekundungen kamen auch von den ehemaligen Staatschefs Emil Constantinescu, Traian Băsescu und Klaus Iohannis.