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„Horror Vacui”: Die ausgesetzten Kinder des Kommunismus

Das längste Theaterereignis der Welt fand im Februar in der Bukarester Kunstgalerie Galateca statt - 7 Tage, 24 Stunden am Tag, 505 Schauspieler (3 Schauspieler pro Stunde), 505 Texte über Leere und Verlassenheit - das Projekt „Horror Vacui“ (übersetzt: Phobie vor der Leere), eine Weltpremiere des Theaters mit Unterstützung des Museums des Verlanssenwerdens und Papercuts - eine Initiative für sozialen Wandel.

L’evento teatrale “Horror Vacui”
L’evento teatrale “Horror Vacui”

und , 08.03.2025, 17:50

Diese Theateraufführung „Horror Vacui“ hatte das Ziel, starke Emotionen zu wecken und gleichzeitig auf ein traumatisches Kapitel der rumänischen Vergangenheit aufmerksam zu machen: die massenhafte Aussetzung von Kindern während der kommunistischen und frühen postkommunistischen Ära. Mehr als eine Million Kinder wurden damals im Stich gelassen – Opfer eines Systems, das sie zu „Niemandskindern“ machte. Das Projekt versteht sich als kulturelle Initiative, die sozialen Wandel fördern und die gesellschaftliche Widerstandskraft stärken will. Der Schauspieler, Dramatiker und Initiator des Projekts ‚Horror Vacui‘, Alexandru Ivănoiu, sprach mit uns über die Inspiration hinter dem Projekt.

 Diese Frage wird mir in letzter Zeit oft gestellt – und an jedem Aufführungstag scheint sich meine Antwort zu ändern. Heute wurde mir bewusst, dass ich diese Performance auch ins Leben gerufen habe, um meine Schauspielerkollegen näher zusammenzubringen, damit sie über ästhetische oder politische Differenzen hinwegsehen. Ich wollte wissen, ob es uns gelingt, Menschen um ein gemeinsames Projekt, eine Idee zu versammeln – vielleicht 500. In einer Zeit, in der es so leicht ist, Unterschiede zu finden und sie als triftige Gründe zu nutzen, um andere zu meiden, schien mir das eine wichtige Herausforderung.
So wie jede Geschichte in unserer Performance das Thema Verlassenwerden berührt, erforschen wir gleichzeitig das Gegenteil: Verbundenheit. Und als Künstler erkennen wir, dass es Momente gibt, in denen das, was wir gemeinsam erschaffen, wichtiger ist als das, was wir allein tun.

Die in der Event-Performance ‚Horror Vacui‘ verwendeten Texte basieren auf Zeugnissen und Geschichten, die im Museum des Verlassenwerdens archiviert wurden, sowie auf Werken zeitgenössischer Autoren. Sie formen eine kollektive Reflexion über die Anerkennung der Vergangenheit und den Wiederaufbau der Zukunft. Darüber hinaus schafft diese Initiative einen intimen, fortlaufenden Raum für den Dialog und die Suche nach Lösungen. Alexandru Ivănoiu erzählt uns mehr über die Objekte, auf die sich dieses Projekt stützte.

Wir können von mindestens 253 Beispielen, Zeugnissen, Aussagen, Fotos und Materialien sprechen, die uns das Museum des Verlassenwerdens zur Verfügung gestellt hat, um sie in ‚Horror Vacui‘ einzubinden. Ergänzt werden diese durch Texte zeitgenössischer Autoren sowie gespendete Texte und Zeugnisse – unter anderem von anderen NGOs und sozialen oder kulturellen Akteuren, die sich mit dem Thema Verlassenheit auseinandersetzen. Insgesamt war es eine gewaltige gemeinschaftliche Anstrengung, an der über 505 Mitwirkende beteiligt waren. Besonders dankbar sind wir also dem Museum des Verlassenwerdens: Durch ihre Archivarbeit konnten wir dieser Performance neues Leben einhauchen.

Was waren die größten Herausforderungen bei diesem Projekt?

Die größte Herausforderung war zweifellos die Programmgestaltung. Es ist extrem schwierig, die Zeitpläne von 500 Schauspielern zu koordinieren, zumal für ein Projekt dieser Größenordnung oft nur ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung stand. Gleichzeitig ist es paradox – denn ich glaube nicht, dass es je eine passendere Zeit als diese gegeben hat. 500 Schauspieler in nur zwei Monaten zusammenzubringen, war also eine gewaltige Aufgabe, aber nicht unmöglich.

Welches war das Ziel hinter dem gesamten Vorhaben – lautete die nächste Frage an Alexandru Ivănoiu, dem Initiator des Projekts ‚Horror Vacui‘.

Unser vorrangiges Ziel mit diesem Vorhaben ist letztlich eine Gesetzesänderung. Wir fordern offiziell – gemeinsam mit Papercuts, dem Museum des Verlassenwerdens und mehreren NGOs – die Einrichtung einer Kommission, die Missbrauchsfälle in Kinderheimen von 1966 bis 2007 dokumentiert und untersucht. Wir wollen recherchieren, um ein Gesetz zu schaffen, das Klarheit darüber gibt: Wie viele Betroffene gibt es? Wer sind sie? Und was ist ihnen widerfahren?

Denn wir sind überzeugt, dass nur ein solches Gesetz echten Wandel ermöglichen kann. Solange es weder Konsequenzen noch Anerkennung gibt, bleibt der Missbrauch ein unbearbeitetes Kapitel. Doch Anerkennung wäre bereits ein großer Schritt zur Heilung – und sie ist so einfach umzusetzen.

Alexandru Ivănoiu sprach zum Abschluss auch über die Menschen, die an der Realisierung des Theaterprojekts beteiligt waren, sowie über die Reaktion des Publikums auf ‚Horror Vacui‘.

 „Insgesamt war die Reaktion derjenigen, die an dem Projekt teilgenommen haben, sehr positiv. Wir haben ein Netzwerk von Freiwilligen und aufgeschlossenen Akteuren aufgebaut, die nicht nur Informationen geteilt, sondern auch positiv über die Idee gesprochen haben. Ich denke, sie sind auch zu Botschaftern unserer Mission geworden. Die Reaktion des Publikums ist ebenfalls sehr schön. Am Erfreulichsten ist, dass wir um 4 oder 5 Uhr morgens immer noch Zuschauer haben. Die Menschen wachen auf, um ihre Freunde, Familienangehörigen oder Kollegen zu sehen, und bleiben dann, um auch andere zu sehen. So entsteht eine kleine Gemeinschaft, die etwas ganz Besonderes ist.

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