Wird die EU die Visafreiheit für US-Bürger aufheben?
Das EU-Parlament hat die Wiedereinführung der Visa-Pflicht für US-Bürger gefordert, weil Washington seinerseits seit Jahren nicht allen EU-Staaten Visa-Freiheit gewährt.
Florentin Căpitănescu, 03.03.2017, 17:00
Nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump sind die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union komplizierter geworden. Am Donnerstag hat das EU-Parlament die Wiedereinführung des Visa-Zwangs für US-Bürger gefordert. Der Grund dafür ist älter, aber wurde während des Mandats von ex-Präsident Barack Obama außer acht gelassen: Seit Jahren gewährt Washington nicht allen EU-Staaten Visa-Freiheit. Die USA verlangen von Bürgern aus fünf EU-Staaten ein Visum: Bulgarien, Kroatien, Polen, Rumänien und Zypern. Nun forderte das Europäische Parlament die EU-Kommission auf, binnen zwei Monaten entsprechende rechtliche Schritte zu ergreifen. Die Entscheidung basiert auf dem in der EU-Gesetzgebung verankerte Prinzip der Gegenseitigkeit. Wenn das Prinzip der Gegenseitigkeit nicht eingehalten wird, muß die Europäische Kommission binnen einer Zweimonatsfrist eine delegierte Rechtstakte verabschieden, laut der die Visa-Freiheit für die Bürger des betreffenden Staates für 12 Monate aufgehoben wird.
Die Visa-Freiheit für alle EU-Bürger ist zur Zeit ein wichtiges Thema: Bei seinem jüngsten Besuch in den USA führte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos Gespräche mit US-Verantwortlichen über dieses Problem. Laut einer Untersuchung der Europäischen Kommission würde die Einführung der Visa-Pflicht für US-Bürger negative Wirkungen auf die europäische Wirtschaft haben, vor allem in den Bereichen Tourismus und Handel.
Und doch könnte die Diplomatie eine Lösung für dieses Problem finden: eine Kommissionssprecherin verwies darauf, dass die Herangehensweise „geduldiger diplomatischer Kontakte“ auch im Falle Kanadas zum Erfolg geführt habe. Vor dem Unterzeichnen des Freihandelsabkommens CETA zwischen der EU und Kanada gab es auch lange Diskussionen über die Aufhebung der Visa-Pflicht für rumänische und bulgarische Bürger — Rumänien und Bulgarien waren die einzigen EU-Mitgliedsstaaten, die noch Einreisevisa für Kanada brauchten. Kanada verlangt von EU-Bürgern aus Bulgarien und Rumänien derzeit noch Visa. Hier hat die Regierung aber zugesichert, dass diese Beschränkungen zum 1. Dezember 2017 aufgehoben würden.
Mit dem Inkrafttreten des CETA-Abkommens wird das Volumen der Handelsbeziehungen zwischen Kanada und der Europäischen Union schätzungsweise bis auf 17 Milliarden Euro im Jahr steigen. Ferner soll das Bruttoinlandsprodukt auf EU-Ebene jedes Jahr um mehr als 11 Milliarden Euro höher werden. Die Tatsache, dass die Visa-Freiheit eine Bedingung für die Unterzeichnung des CETA-Abkommens war, ist ein Beweis dafür, dass die Europäische Union dieses Problem als besonders wichtig betrachtet. Und das ist auch ein Präzedenzfall in der Perspektive der Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP, ein geplantes Freihandels- und Investitionsschutzabkommen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen der Europäischen Union und den USA.