Inside Gen Z: Eine Ausstellung zeigt die Karten der Einsamkeit
In Temeschwar, im Westen Rumäniens, war bis Anfang November die Ausstellung „Atlasul Singurătății“ – „Der Atlas der Einsamkeit“ zu sehen. Das Projekt ist derzeit auf Tour und hat inzwischen auch die Hauptstadt erreicht. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Jugendliche und junge Erwachsene der Generation Z Einsamkeit erleben – in einer Welt, die eigentlich permanent vernetzt ist.
Ion Puican und Alex Sterescu, 06.12.2025, 13:30
Mit Fotografien aus der Camera Obscura und einer immersiven Klanginstallation entsteht eine emotionale Landkarte zwischen digitalem Lärm und dem Wunsch nach echter Nähe. Einer der Organisatoren ist der Journalist und Dokumentarfilmer Ionuț Dulămiță. Er hat die Interviews für das Projekt geführt und war im Gespräch mit Kulturredakteur Ion Puican.
„Die Ausstellung ist Teil eines multimedialen Projekts, in dem wir untersucht haben, wie sich Einsamkeit bei der Generation Z zeigt. Wir sind von der Beobachtung ausgegangen, dass immer mehr Studien und Medienberichte sie als die ‚Generation der Einsamkeit‘ bezeichnen – wegen des Kontrasts zwischen ihrer extremen Online-Vernetzung und dem Gefühl, im echten Leben nur wenige tiefe Verbindungen zu haben.
Wir wollten sowohl die schwere Seite der Einsamkeit einfangen – das Fehlen erfüllender Kontakte oder das Gefühl, ‚fehl am Platz‘ zu sein, selbst unter Menschen – als auch die positive Seite, die eher mit produktiver Zurückgezogenheit zu tun hat. Also Zeit mit sich selbst, für Reflexion und Neuordnung.
Dafür haben wir junge Menschen aus der Gen Z in ihrem privaten Umfeld besucht und offen mit ihnen über Einsamkeit gesprochen. Wir haben kleine Rituale gefilmt – wie sie Kaffee kochen, endlos scrollen oder Anime schauen. Wir haben Klänge der Solitude aufgenommen und in musikalische Soundscapes integriert. Und wir haben mit der Camera Obscura fotografiert, die den Außenraum ihrer Wohnungen – auf dem Kopf – ins Innere projiziert. Herausgekommen sind Texte, Podcasts, Videos und Fotos. Alles gebündelt findet sich auch auf einem Microsite bei der Kulturplattform Scena9.”
Warum ein „Atlas“ der Einsamkeit?
„Wir haben uns für den Begriff ‚Atlas‘ entschieden, weil Einsamkeit zwar für alle ähnlich fühlbar ist, aber aus vielen verschiedenen Territorien besteht: Wut, Scham, Misstrauen, Nicht-Dazugehören – aber auch Ruhe, Reflexion oder Neuanfänge. Die Ausstellung sollte eine Landkarte dieser inneren Orte sein, kartografiert durch die Stimmen und Bilder derer, die sie erleben.“
Was erwartete die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung?
„Wir haben die visuellen und akustischen Elemente kombiniert, um einen Dialog über Einsamkeit zwischen Außenraum und Innenwelt zu schaffen. Die Camera Obscura funktioniert als visuelle Metapher: Sie zeigt Einsamkeit in Relation zur Stadt – zum Außen.
Die Soundscapes von Mihai Balabaș dagegen kommen aus der Intimität der Protagonisten, also aus dem Innen. Sie enthalten die Geräusche alltäglicher Rituale, wenn man allein ist. Zusammen sollen sie zeigen: Einsamkeit ist eine zutiefst subjektive und individuelle Erfahrung.“
Wie reagierten die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Gen Z?
„Mich hat überrascht, wie bewusst und klar sie über die Herausforderungen ihrer Generation sprechen – und wie offen sie über sehr persönliche Themen reden. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sie darauf gewartet haben, dass jemand ihnen solche Fragen stellt.
Viele sagten, dass sie selten Gelegenheit haben, über diese Themen zu sprechen. Die Angst vor Bewertung kommt häufig vor. Und der schnelle Informationsfluss – aus Social Media und anderen Quellen – gibt ihnen kaum Zeit, das eigene Leben wirklich zu verarbeiten.“
Sechs junge Menschen mit sehr unterschiedlichen Geschichten – von Studierenden und Künstlerinnen bis zu einer jungen Frau aus einem Kriegsland – führen die Besucherinnen und Besucher durch einen visuellen und auditiven Parcours über Verletzlichkeit, Isolation und emotionales Überleben.
Die Ausstellung bringt Soziologie, Psychotherapie, Journalismus und visuelle Kunst zusammen und öffnet so einen gemeinsamen Raum für ein tieferes Verständnis von Einsamkeit heute.
„Ein solcher Dialog entsteht, wenn man mehrere Medien zusammenbringt: Text, Fotografie, Soundscape und Video. Alles führt zum selben emotionalen Kern – aus unterschiedlichen, aber ergänzenden Perspektiven.
Die wichtigste Botschaft stammt von Petrișor, einem der Protagonisten. Ich zitiere: ‚Du kommst nach Hause und stellst fest, dass du nicht der Einzige bist, der so fühlt. Und das ist gut. Auch wenn du allein bist, weißt du, dass irgendwo jemand dieselbe Erfahrung macht – und das ist okay.“
Die Ausstellung „Der Atlas der Einsamkeit“ zeigt, wie vielschichtig und ambivalent Einsamkeit für junge Menschen heute ist – zwischen digitaler Überforderung, echter Verletzlichkeit und dem Bedürfnis nach einem eigenen, stillen Raum. Das Projekt wird weiter durch Rumänien reisen und soll die Diskussion über mentale Gesundheit und soziale Verbundenheit vertiefen.