Donaufürstentümer Anfang des 19. Jh.: Modernisierung von Französischer Revolution inspiriert
Ab Anfang des 19. Jahrhunderts schreitet die Modernisierung des rumänischen Raumes immer schneller voran. Viele Mittler der Moderne waren von den Idealen der Französischen Revolution beflügelt.
Steliu Lambru, 21.01.2019, 17:30
Die Moderne war eine neue Sichtweise auf die Welt, in der das Individuum Grundrechte und Freiheiten hatte, die von keiner Obrigkeit verletzt werden konnten. Der öffentliche Geist war von Säkularismus und Rechtsstaat geprägt, gegen den Despotismus des Staates oder die Institution der Kirche gerichtet. Der französische Einfluss gibt den Ton moderner Ideen an, während politisch-militärische Unruhen zur Entstehung einer neuen Ära beitragen.
In den rumänischen Fürstentümern unter osmanischer Hoheit gab es einen akuten Reformbedarf. Das osmanische politisch-ökonomische Modell war gescheitert und wurde zu einem Hindernis für neue Tendenzen und Bestrebungen. Die Moderne hatte die Samen der nationalen Bewegung gesät, im rumänischsprachigen Raum trafen die griechischen und rumänischen nationalen Aufstandsbewegungen von 1821 aufeinander. Der Einfluss der Französischen Revolution war entscheidend für die Entstehung nationaler Bewegungen, wie die Historikerin Georgeta Filiti betont.
Die Französische Revolution von 1789 hat den Weg für das, was in den nächsten zwei Jahrzehnten geschehen sollte und 1821 einen Höhepunkt erreichte, entscheidend geebnet. 1821 müssen wir in den rumänischen Gebieten zwischen zwei Vorgängen unterscheiden: einer nationalen Bewegung in Rumänien, die unter der Führung von Tudor Vladimirescu aufstrebt, und einem etwas wahnsinnigen Versuch der Griechen, angeführt von Alexaner Ypsilantis, einem Adjutanten des Zaren, die Unabhängigkeit Griechenlands zu erlangen. Ich wage es, von »Rumänien« zu sprechen, weil ein Grieche namens Phlippides 1816 zum ersten Mal den Begriff »Rumänien« verwendet, um sich auf diese Gebiete zu beziehen, in denen mehrheitlich Rumänen lebten. Ypsilantis kommt aus Russland in die Donaufürstentümer, zuerst in die Moldau und dann nach Bukarest, in der Hoffnung, einen Aufstand gegen die Osmanen in die Wege zu leiten. Der Hintergedanke dabei: Wenn er es schafft, das christliche Volk der Rumänen zum Aufbegehren zu bringen, während er von seinen griechischen Freiheitskämpfern umgeben war, würde Russland eingreifen und ihm helfen. Die Rechnung ist nicht aufgegangen, seine Aktion scheiterte, wie auch Tudor Vladimirescus Bewegung fehlgeschlagen ist.“
Die Modernisierung des rumänischen Raums entsprach dem Zeitgeist und rückblickend kann behauptet werden, sie hätte nicht durch andere Faktoren behindert werden können, auch weil sie nicht Teil eines Plans war. In erster Linie ging es um eine Geisteshaltung, im Fall der rumänischen Fürstentümer das Einwirken des französischen Geistes. Georgeta Filiti erläutert:
Diese Gemütszustände, die tiefgreifende Veränderungen, wahre Spaltungen in der Gesellschaft erzeugen, sind nicht wahrnehmbar und nicht leicht zu bestimmen. Die Leute informierten sich, die Leute hatten westliche Waren, die Leute redeten über Mode, über Speisen. Aber in der Sprache, die die Menschen verwendeten, finden Veränderungen statt, die französische Sprache setzt sich als Kultursprache und Verkehrssprache mit Fremden allmählich bei den Rumänen durch und tritt langsam an die Stelle der griechischen Sprache. Weder bei der griechischen noch bei der französischen Sprache ging es um einen erzwungene Einführung, es war die jeweilige Sprache der Zeit, es war die Kultursprache, die im rumänischen Raum sehr häufig gesprochen wurde. Aber auch die rumänische Sprache wird gefördert. Ideen werden als solche von diesen Mittlern gefördert, egal ob es sich dabei um wirtschaftliche Faktoren Händler, Steuereintreiber und andere handelt, oder um kulturelle Mittler. Man muss auch wissen, dass nicht alle Franzosen, die nach Rumänien kommen, Revolutionäre sind, es gibt auch viele Flüchtlinge. Die Französische Revolution war vielleicht eine der blutigsten, in Klammern gesagt sind alle blutig, aber die Französische Revolution war allen voran blutig. Sie hat viele Menschen in die Flucht getrieben, die Arbeit suchten. Viele Franzosen werden Sekretäre, Lehrer, kleine Beamte in verschiedenen Verwaltungen, »cinovnici« [aus dem Russischen: tschinownitschi — kleine Beamte], wie man sie nannte, aber sie sind vor allem als Privatlehrer bei Familien gefragt. Dieser französische Geist setzt sich durch. Aber andere Franzosen sind wiederum echte Revolutionäre, Menschen aller Art verlassen also Frankreich und finden eine Unterkunft in Bukarest.“
Von Frankreich ins restliche Europa strahlen die Ideen der Moderne dank der Militärkampagnen von Kaiser Napoleon I. stärker aus, der die alte politische Ordnung durcheinander bringt. Bis nach England im Westen, durch den deutschsprachigen Raum in den Osten, nach Russland und ins Osmanische Reich ist Europa von der Aufruhr mitgenommen, die Frankreich wie im Rausch verbreitet. Die Historikerin Georgeta Filiti glaubt, dass die Generationen junger Studenten dem politischen Aufwind aus Frankreich mehr Kraft bei den grundlegenden Verwerfungen in Europa gegeben haben. Denn die jungen Generationen seien in der Regel der Keim der Veränderung, sagt sie.
Man konnte sich vorstellen, und es ist in den Köpfen vieler so gewesen, dass hier in Bukarest ein Zentrum der Wallungen entsteht, das eine Revolution auslöst, aber das ließ sich schwer bewerkstelligen. Napoleon hat da sicherlich angestachelt, aber ausschlaggebend war, dass viele rumänische Studenten im Ausland studierten. Und sie setzen alles daran, um beim Kaiser vorzusprechen, in dem sie einen Retter sahen. 1813 gehen zum Beispiel viele Rumänen und Griechischsprachige aus dem rumänischen Raum, darunter viele vom Südbalkan eingewanderte Aromunen, nach Halle zum Studieren. Es gibt eine Fülle von Ärzten, die in Halle, Göttingen, Wien studieren. Einer von ihnen ist Apostol Arsachi. Er bekommt die Chance, bei einem Besuch des Kaisers in Halle eine Ansprache vor ihm zu halten. Es ist eine sehr schöne, entflammte Rede, in der er sagt: »Majestät, retten Sie die Christen des Osmanischen Reiches!« Es werden Dutzende und Aberdutzende von Aufrufen an Napoleon gerichtet, der natürlich ein guter Christ war, aber auch ein herrschsüchtiger Kaiser, ein Diktator, der seine eigene Politik verfolgte.“
Die rumänische Moderne nahm in den ersten beiden Dekaden des 19. Jahrhunderts Gestalt an. Aber bis zur Verwirklichung ihrer Ideale hatten die Rumänen noch lange zu kämpfen und abzuwarten.